22. November 2019
BASEL

Eine weitere Nacht lang stellen wir gemeinsam mit allen Interessierten die Themen Bildung und Kritik in den Mittelpunkt. Wir hören, üben und formulieren Kritik und tragen sie in die Stadt hinaus – denn Kritik ist der Anfang von Veränderung.

Lebenslanges, diszipliniertes Lernen für die Karriere und ein Mittel zur Verteilung von Chancen im Beruf und Alltag?

Bildung ist mehr. Sie ist emanzipativ und geht über die Verinnerlichung ökonomischer Denkmuster hinaus. Es ist Zeit, Bildung anders zu denken!

PROGRAMM

Film: „The Cleaners“ (2018)

Dienstag 19. November 2019 um 20:00

Internetcafé Planet13

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Ob auf Twitter, Youtube, Facebook oder Google – was täglich über unsere Bildschirme flimmert, wird kontrolliert und gefiltert. Content moderators, angestellt von den grossen Technologieunternehmen, haben den Auftrag auszusortieren, was „unangemessen“ sein könnte. Was von der schieren Flut an Bildmaterial einer grösseren Öffentlichkeit zugänglich wird, muss dabei in kürzester Zeit per Mausklick entschieden werden. Der Dokumentarfilm von Hans Block und Moritz Riesewieck gibt zum einen Einblick in die Arbeit von fünf content moderators in Manila, die täglich den ungefilterten, oftmals verstörenden Inhalten ausgeliefert sind und nach Leitfaden über die Weiterverwendung dieser Inhalte entscheiden müssen. Zum anderen beleuchtet der Film die Problematik, dass wenige, grosse Tech-Unternehmen durch die Moderation ihrer Inhalte globale Diskurse massgeblich mitgestalten. Denn sie entscheiden, was die Welt sieht.

Dokumentarfilm 88 Minuten
Eintritt frei, Kollekte

Freitag 22. November 2019

Grundrechtliche Schranken der Pflicht zur Selbstverantwortung in der Sozialversicherung
17.30 – 19.00

Internetcafé Planet13

Die schweizerische Rechtsordnung misst der Selbstverantwortung eine sehr grosse Bedeutung zu. Das zeigt sich auch im Sozialversicherungsrecht, insbesondere in der Invalidenversicherung. Ausdruck davon bilden umfangreiche und weit in den persönlichen Bereich hinreichende Pflichten wie etwa diejenige, sich einer Therapie zu unterziehen, das Gewicht zu reduzieren oder einen Berufswechsel vorzunehmen. Diese „verordnete“ Selbstverantwortung steht im Kontext der Schadenminderungspflicht, die im ganzen Sozialversicherungsrecht gilt und der sparsamen Verwendung der finanziellen Mittel dient.
Im Vortrag wird die der Rechtsbegriff der Selbstverantwortung kritisch beleuchtet. Gezeigt wird, dass die „Pflicht zur Selbstverantwortung“ ohne Berücksichtigung des sozialen Kontextes eines Person zu Ausgrenzung und Diskriminierung führt. Die Rechtsordnung muss deshalb Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Menschen ihre Selbstverantwortung wahrnehmen können. Auch gilt es individuelle Präferenzen in der Lebensgestaltung zu achten.

Referat und Diskussion
Kurt Pärli und Kritische Jurist*innen Basel

Strukturelle Gewalt im
Bildungssystem


19.30 – 21.00

Internetcafé Planet13

Selektion, Leistungs- und Wettbewerbsorientierung führen in unseren Schulen dazu, dass sozio-ökonomisch benachteiligte Kinder und Jugendliche zu „Verliererinnen und Verlierern“ werden. Illusionäre Vorstellungen von Chancengleichheit legitimieren diese Diskriminierung. Den Betroffenen versperren diese Erfahrungen struktureller Gewalt einen produktiven Zugang zu Bildung, darunter leiden ihre Persönlichkeitsentwicklung wie auch ihre Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt.

Avji Sirmoglu und Christoph Ditzler, Planet13, berichten von ihren Erfahrungen mit Menschen, denen das Bildungssystem keine oder wenig Förderung gab und für sie geeignete Bildungsmöglichkeiten dadurch versperrte.

Johannes Gruber, Soziologe und Gewerkschafter, erläutert Mechanismen struktureller Diskriminierung im Schweizer Bildungssystem, in dem Geschlecht, regionale und soziale Herkunft den Schulerfolg beeinflusst.

Workshop
Planet13 und Johannes Gruber

Beruf statt Berufung?
Rabenmütter* erzählen


21.30 – 23.00

Internetcafé Planet13

Was und wer ist eine Rabenmutter*? (Wie) lässt sich Beruf und Familie vereinbaren? Ist Mutter* sein eine Berufung? Wie erleben Frauen* die Entscheidung, kinderlos zu sein? Welche gesellschaftlichen Erwartungen und Vorurteile existieren bezüglich Familienplanung? Mit welchen Herausforderungen werden Eltern konfrontiert und was für Unterstützung erleben sie? Welche Väter*bilder sind in unserer Gesellschaft präsent? Menschen mit unterschiedlichsten persönlichen und beruflichen Hintergründen antworten.

Diskussion
Feministischer Streik Basel

20 Jahre Bologna-Kritik


17.30 – 19.00

Junges Theater Basel
Foyer


Vor 20 Jahren unterzeichnete Staatssekretär Charles Kleiber für die Schweiz die europäische Erklärung zur Einführung des Bologna-Systems. Die Uni Basel war in der Schweiz eine der ersten Hochschulen, die Bologna einführten. Zwischen dem Versprechen der Mobilität und Chancengerechtigkeit auf der einen und der Kritik der Verschulung und Ökonomisierung auf der anderen Seite war Bologna immer umstritten. Was hat sich mit dem neuen System effektiv verändert? Hat die Kritik etwas bewirkt? Welche konkreten Erfahrungen machen Studierende und Dozierende heute mit Bologna? Über diese und weitere spannende Fragen wollen wir im Workshop diskutieren.

Workshop
Peter Streckeisen

Berufslehre & Kapitalismus: Eine kritische Analyse

19.30 – 21.00

Junges Theater Basel
Foyer


Das Lernendenkollektiv setzt sich seit Jahren für die Rechte, verbesserte Arbeitsbedingungen und die politische Einbindung von Lernenden ein. Das Lehrlingswesen gilt in der Schweiz als heilige Kuh. Als Grundpfeiler des hiesigen Arbeitsmarktes ist es in den Augen der Politik und der Unternehmen mitverantwortlich für den Wohlstand der Schweiz, ein Garant für ein sorgenfreies Berufsleben und es offeriert den Lohnabhängigen – ebenso wie die militärische Ausbildung – eine Art kostenlose Lebensschule. Anhand eines Inputs soll der wirtschaftliche Nutzen des Lernendenwesens für den Schweizer Kapitalismus aufgezeigt werden. Dabei wird erklärt, warum Unternehmen überhaupt Lernende ausbilden, die Löhne in der Lehre dermassen tief sind und weshalb man in der Lehre tatsächlich eine «Lebensschule» kriegt – nur, dass diese den Unternehmen weit mehr bringt, als den Lernenden selbst.

Referat und Diskussion
Lernendenkollektiv

Kommunikationsguerilla – Wiederaneignung des
öffentlichen Raums
21.30 – 24.00

Junges Theater Basel
Foyer


Bei diesem Workshop geht es darum, praktisch zu werden. Aktivist*innen vom Berlin Busters Social Club zeigen am Beispiel der Kommunikationsguerilla, wie wir im öffentlichen Raum kreativ mit einfachen Mitteln und begrenzten Ressourcen auf unsere Anliegen aufmerksam machen. Wie das funktionieren kann, soll hier in einem stark auf Mitarbeit der Teilnehmenden setzenden Workshop mit vielen bunten lustigen Aktionsbildern und Berichten gezeigt werden.

Workshop
Berlin Busters Social Club

Programm zum Download

Aktuell

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Unser Manifest

Die Lange Nacht der Kritik wurde in Basel 2017 das erste Mal organisiert, in anderen Schweizer Städten bestehen ähnliche Formate unter gleichem Titel schon länger. Zu Beginn war es eine Gegenveranstaltung zu der Langen Nacht der Karriere, die an verschiedenen Schweizer Universitäten stattfindet. Man wollte damit dem marktgerichteten und ökonomistischen Bildungsverständnis dieser Veranstaltung Raum und Zeit gegenüberstellen. Dadurch sollen ebendieses Bildungsverständnis hinterfragt und vielfältigere Perspektiven auf Bildung, deren Institutionen und Formen formuliert werden können. Die Lange Nacht der Kritik in Basel wird seither von einem Kollektiv, bestehend aus Studierenden der Uni Basel und der Fachhochschulen Nordwestschweiz, sowie von Vertreter*innen anderer Bildungsorganisationen und interessierten Einzelpersonen organisiert.

Die Personen im Kollektiv eint ein Unbehagen über den fehlenden Raum und die geringe Bedeutung kritischer Auseinandersetzung in den Bildungssystemen, in denen wir uns alle in unterschiedlicher Weise bewegen. Denn unser Anliegen, das Recht auf (kritische) Bildung, steht in einem Widerspruch zu den vorherrschenden Verhältnissen und Vorstellungen, die alle gesellschaftlichen Bereiche und damit auch die Bildung formen. Soziale Ungleichheiten, Diskriminierungen und Ausbeutung durchziehen schweizerische (Bildungs-)Institutionen und prägen den Alltag vieler. Sie entscheiden darüber, wer welchen Zugang zu Bildung hat und wie diese auszusehen hat. So fungiert Bildung fungiert als ein entscheidender Faktor für Wohlstand, Teilnahme und Mitgestaltung gesellschaftlicher und politischer Prozesse und nicht zuletzt der Sicherung von Privilegien, die wir immer wieder zu besitzen merken. Es geht uns darum, eine Gegenveranstaltung in einem innerschulischen oder universitären Diskurs zu sein, wie auch unsere Kritik auf jene gesellschaftlichen Strukturen und Prozesse auszuweiten, die Menschen in ihrer individuellen und kollektiven Selbstbestimmung hindern.  Dies bedingt auch, dass wir unsere eigene Position und Verfangenheit in diesen Systemen reflektieren.

Was heisst nun Kritik? Sie ist für uns kein Mittel, um Verbesserungsvorschläge, Feedbacks oder reine Analysen zu transportieren. Die Kritik, der wir Raum geben wollen, kann und soll Handlungsimpulse und mögliche Ansatzpunkte formulieren. Dabei erschöpft sie sich aber nicht in dem Weiterdenken des Bestehenden, sondern soll gleichzeitig über die vorherrschenden Prozesse und Strukturen hinausweisen. Den grundsätzlichen Weichenstellungen der herrschenden Ordnungen, die über das (Zusammen-)Leben der Menschen bestimmen, soll ihr angeblich natürlicher und oder unveränderlicher Charakter entrissen werden. Die Kritik, die wir wollen, macht beweglich: Unmögliches soll möglich und Unerreichbares erreichbar sein. Denn die Welt muss nicht so sein, wie sie ist.

In Zusammenarbeit mit

Danke für die finanzielle Unterstützung